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Do, 13.03.2014

Autor

GEMEINDERAT

Gottfried Lamers

17.12.2009 15:51

Argumente gegen den Verkauf der Wasserleitung

Stellungnahme der GRÜNEN Liste Gablitz

Rahmenbedingungen

Seitens des Bürgermeisters wurde versprochen, den Vertrag vor der GR Sitzung zu veröffentlichen. Dies erfolgte jedoch nicht auf der homepage (wo er für alle zugänglich wäre) sondern nur physisch am Amt.
Der Verkauf der Wasserleitung wurde generell bereits mehrfach diskutiert (im GR und bei den BürgerInnenversammlungen). Der Verkaufsvertrag des Wasserleitungsnetzes mit der EVN wurde jedoch in keinem Ausschuss behandelt und daher weder diskutiert noch um die möglichen Anregungen und Verbesserungen der einzelnen Gemeinderät-Innen ergänzt.
Der vorgelegte Vertrag hat mit dem Bezug von Wiener Wasser nichts zu tun. Dieser Vertrag regelt ausschließlich den Verkauf und beinhaltet in keiner Weise eine Verpflichtung der EVN Wiener Hochquellwasser zu liefern oder diese Lieferung auch nur anzustreben. Der Vertrag ist als singuläres Element zu sehen und kann in keiner Weise mit anderen Tagesordnungspunkten der GR Sitzung verknüpft werden.

Politische Argumente

Die Privatisierung von gemeindeeigener Infrastruktur ist eine Fehlent-wicklung der vergangenen Jahre die voraussichtlich bald überwunden sein wird. Wesentlich größere Projekte der öffentlichen Hand stehen jetzt – trotz ihrer hochspezialisierten Juristen – vor den damit eingehandelten Problemen. Es ist unverantwortlich zu glauben, dass die Gemeinde Gablitz so viel mehr know-how oder Glück hat als andere Gebietskörperschaften. In Österreich sieht man die ersten Projekte spektakulär scheitern und in Deutschland gehen etliche Kommunen den teuren Weg der Re-Kommunalisierung um weiteren Schaden abzu-wenden. Auch in NÖ sind die ersten Gemeinden bereits mit un-erwarteten hohen Preissteigerungen durch die EVN konfrontiert. Trotzdem will Gablitz unbedingt bei den letzten Kommunen sein, die eine derartige Privatisierung noch eingehen.

Dass das Ende des neoliberalen Weges gekommen ist, ist auch aus dem neuen Wirtschaftsprogramm der SPÖ NEW (Neue Europäische Wirtschaftspolitik) nachzulesen. Zumindest die sozialdemokratische Fraktion sollte sich davon angesprochen fühlen

  • (S 6): Wir brauchen einen neuen ordnungspolitischen Rahmen, der die Sicherung der ausreichenden Versorgung der Bürgerinnen und Bürger mit Dienstleistungen von allgemeinem Interesse garantiert (gesetzliches Festschreiben des Versorgungsauftrages).

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  • (S 10): Eine verstärkte Wettbewerbspolitik ist ein Instrument, um auch bei der Erbringung von Dienstleistungen höhere Effizienz und Kundenorientierung zu erreichen. Sie kann somit die Qualität der Leistungen verbessern. Doch die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass die Liberalisierung auch zahlreiche Gefahren mit sich bringen kann. Dazu zählen etwa:

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    • Einschränkung der Spielräume der öffentlichen Hand: Verlust von Quersubventionen d.h. Umverteilungsmöglichkeiten mit der Konsequenz der Entsolidarisierung und

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    • fehlende demokratische Einflussnahme und öffentliche Kontrolle: Die Privatisierung der Politik. Entdemokratisierung durch Verlust der Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten der öffentlichen Hand.

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  • (S 11): Als „lebensnotwendig“ sind jene Bereiche einzustufen, ohne die das physische Überleben nicht oder nur in menschenunwürdigen Verhältnissen möglich ist. Es ist gerade in diesen Bereichen nicht ausreichend, dass die Menschen Zugang zu Versorgungsunternehmen haben, dort aber zu Marktpreisen einkaufen müssen. Versorgung muss bedeuten, dass lebensnotwendige Mengen zu leistbaren Preisen zur Verfügung stehen.

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Übrigens ist auch das Regierungsprogramm 2008 – 2013 von SPÖ und ÖVP in diesem Bereich ganz klar und sagt: „Die Kernkompetenz für die Wasserdienstleistungen muss auch in Zukunft bei den Gemeinden liegen.“(S 74)
Das Wasserleitungsnetz wird mit der Begründung verkauft, dass sich Gablitz den Anschluss an das Wiener Wasserleitungsnetz nicht leisten kann. Wenn man/frau von den Baukostenanteil für Gablitz von ca. 1 Mio. € ausgeht, dann würde ein Kredit dafür nach geltenden Konditionen (20 Jahre, 3 % Verzinsung – beides laut Auskunft einer Bank, sehr vorsichtig angenommen) pro Jahr ca. 65.000 € an Rückzahlungsraten ausmachen. Gleichzeitig ist jedoch mit Ende 2008 die Rückzahlung an den Wasserwirtschaftsfonds (heute KPC) ausgelaufen, die jährliche Rückzahlungen von 80.000 € ausgemacht haben. Eine Leistbarkeit dieses Kredits ist daher durchaus gegeben.
Die EVN liefert uns schon derzeit das Wasser. Die Transportleitungen betreibt jedoch die EVN im Auftrag des Landes NÖ (darüber existiert auch ein Vertrag) in Rechtsnachfolge der NÖSIWAG. In diesem Bereich hat sie ein öffentliches Mandat, in allen anderen Geschäftsbereichen (also auch bei den Ortsnetzen) ist sie ein privater Anbieter und wird auch vom BMLFUW als solcher behandelt. Es ist bereits vor Jahren als Anlassfall EVN ausgeschlossen worden, dass private Wasserleitungsbetreiber in den Genuss von Förderungen kommen können. Es gibt daher auch in Zukunft keine Förderung für Sanierung oder Neubau von Wasserleitungen.

 - Im Bereich der Sanierungen ist Gablitz derzeit von der Förderung aufgrund des geringen Alters des Netzes von einer Förderung ausgeschlossen (Stichtag ist 1973), allerdings sind Bestrebungen der Länder im Gange, diesen Stichtag auf 1980 – 1986 zu ändern. Derzeit scheitert das noch am Widerstand des Finanzministeriums, jedoch ist eine Änderung in den nächsten Jahren wahrscheinlich

 - Im Bereich des Neubaus ist die Förderung von Bund und Land aber noch wesentlich wichtiger. Es ist zweifellos zu erwarten, dass einzelne kleine Hausanschlüsse seitens der EVN errichtet werden. In der Verpflichtungserklärung spricht jedoch die EVN selbst davon, dass sie neue Kunden nur anschließt, wenn das aus technischer und wirtschaftlicher Sicht zumutbar ist. Ein Anschluss von Bauhoffnungsgebieten (Brand) ist jedoch ohne Förderung unwirtschaftlich und kann daher auch von der EVN abgelehnt werden.

Die Liberalisierung des Wassermarktes wird auf Ebene der EU vorbereitet. Wenn das kommt, kann (muss natürlich nicht) die Gemeinde Wasserleitungsbetreiber beauftragen und (wie im Telekommarkt) die günstigsten Anbieter auswählen. Diese Möglichkeit fällt weg, wenn das Netz unwiderruflich an die EVN verkauft ist.

Im Vertrag (Übereinkommen) mit der Gemeinde fehlen alle wichtigen Verpflichtungen, die die Gemeinde gegenüber den BürgerInnen in der Verpflichtungserklärung verspricht. Die Verpflichtungserklärung ist zwar auch ein einseitiger Vertrag, der von allen Betroffenen einklagbar ist, jedoch müsste jeder einzelne Betroffene gegen die EVN bei Nichterfüllung klagen. Bei derartigen Größenverhältnissen ist keine Fairness gewährleistet. Die Gemeinde selbst hat hingegen kein Klagsrecht, da ihr gegenüber diese Verpflichtungen nicht eingegangen werden (da sie auch nicht Gegenstand des Verkaufsvertrags sind).

Der Wasserleitungskataster ist die Grundlage für jede weitere Sanierungstätigkeit. Die Gemeinde nutzt nicht die Chance mit diesem Tool eine zielgerichtetere Sanierung vorzunehmen.

Die Einnahmen aus dem Kapitel Wasser sind eine wesentliche Einnahmequelle der Gemeinde. Selbst wenn die einzelnen Kapitel (Wasser, Abwasser, Abfall) getrennte Budgetkreisläufe darstellen und ausgeglichen bilanzieren sollen, so ist eine kurzfristige Verschiebung und Abgangdeckung gegenseitig möglich. Mit dem Wegfall dieses Budgetkapitels engt die Gemeinde ihre kurzfristige Reaktionsmöglichkeit auf Einnahmenausfälle oder Preissteigerungen massiv ein.

Sachargumente aus den vorgelegten Unterlagen

Übereinkommen

Alle Änderungen die die Gemeinde wünscht (also auch Verlegungen aufgrund anderer Einbauten, Drucksteigerungen etc.) sind von der Gemeinde zu bezahlen. Es ist daher völlig unverständlich, warum die EVN dann auch noch das Einvernehmen dazu herzustellen hat (sie kann auch ablehnen, obwohl wir zur Zahlung bereit sind)

Es ist geregelt, dass – bei Erweiterungen des Baulandgebiets – nur die EVN bauen darf, nicht jedoch, dass die EVN bauen muss. Es ist dadurch keine Versorgungsverpflichtung gegeben.
Die EVN übernimmt sämtliche Kosten bei allfälligen Erweiterungen, es ist jedoch nicht vereinbart innerhalb welcher Frist die EVN diese Arbeiten durchführt.
Die Gemeinde tritt alle Rechte an die EVN ab, das bedeutet, dass die Servitute auf Grundstücken der BürgerInnen alle auf die EVN übergehen. Damit sind nicht mehr nur Beschäftigte der Gemeindeverwaltung zutrittsberechtigt, sondern alle Auftragnehmer der EVN. Dieser Eingriff in die zahlreichen Grundstücksrechte ist den BürgerInnen nicht bewusst.
Die Gemeinde gewährleistet, dass alle vorgeschriebenen Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten laufend veranlasst und durchgeführt wurden. Aus den Gemeinderatsaufzeichnungen der letzten Jahre und der verschiedenen Diskussionen über den Zustand des Wasserleitungsnetzes ist jedoch klar ableitbar, dass diese Arbeiten nicht in ausreichendem Maße durchgeführt wurden (sonst hätte das Netz nicht so einen schlechten Zustand). Aus dieser Gewährleistung lässt sich daher auch später eine klare Schadenersatzforderung ableiten.
Arbeiten der EVN an den Rohrleitungen in öffentlichem Gut (Straßen) ist mit der Gemeinde nur hinsichtlich ihrer Lage abzustimmen. Den Zeitpunkt (gemeinsame Verlegung mit anderen Leitungen) kann die Gemeinde nicht mehr beeinflussen.

Gegenbrief

Im Gegenbrief informiert die EVN die Gemeinde über die vorgesehenen Unterlagen, diese (Tarifblatt, Verpflichtungserklärung, etc.) sind jedoch nicht Teil des Vertrags und damit auch nicht einklagbar.
Das Wiederkaufsrecht orientiert sich ausschließlich an Kriterien der EVN (neue Rechtsform oder Absicht des Weiterverkaufs) Das Wiederkaufsrecht schließt eine Willensbildung innerhalb der Gemeinde aus (selbst wenn wir die Mittel hätten, können wir das Netz nicht zurückkaufen).
Für Streitigkeiten bei der Geltendmachung des Wiederkaufsrechtes wird nicht ein unabhängiges Gericht herangezogen sondern ein eigenes Schiedsgericht eingerichtet. Dieses würde von einem Wirtschaftsprüfer geleitet. Da die EVN wesentlich mehr Aufträge an Wirtschaftsprüfer zu vergeben hat als die gemeinde Gablitz ist dadurch bereits ein Ungleichgewicht und eine mögliche Parteilichkeit gegeben.
Im Falle eine Rückkaufs garantiert die EVN nicht dafür, dass der Zustand des Wasserleitungsnetzes besser wäre als derzeit. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die EVN bei einem beabsichtigten Rückkauf der Gemeinde, die Sanierung des Netzes stoppt.

Verpflichtungserklärung

Die Verpflichtungserklärung ist ein einseitiger Vertrag der von jeder/m einzelnen AdressatIn eingeklagt werden kann. Allerdings ist durch die Marktmacht der EVN ein Ungleichgewicht gegeben.

In der Lieferung von Hochquellwasser wird klar ausgesprochen, dass keinerlei vertragliche Sicherheit zum Bezug von Hochquellwasser gibt. Ein Lieferungsstopp kann jederzeit und ohne Angabe weiterer Gründe verfügt werden.
Bezüglich des Anschlusses von Neukunden wird dieser nur zugesagt, sofern dieser technisch und wirtschaftlich zumutbar ist. Die Erschließung des Baulandgebietes Brand allein würde voraussichtlich ein Bauvolumen von über 1 Mio. € ausmachen. Es ist daher sehr wohl möglich, diesen Ausbau als wirtschaftlich unzumutbar abzulehnen (insbesondere, da keine Förderungen lukriert werden können).
Der Tarif wird an den VPI gebunden. Der Wasserleitungsbau und die Sanierung sind jedoch hauptsächlich Bauarbeiten. Es ist daher nicht einzusehen, warum der Wasserpreis an die allgemeine Preissteigerung (z. B. von Bananen) gebunden werden soll und nicht an den im langjährigen Durchschnitt günstigeren Baukostenindex.

 

 

 

 




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